Eine Chance für die Suizidprävention

Trotz aller Diskussionen hat keiner der zwei vorliegenden Gesetzentwürfe zur Regelung zur Suizidhilfe heute im Bundestag genug Stimmen auf sich vereinen können.

Vor drei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht den § 217 StGB (Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung) für nichtig erklärt. Trotz aller Diskussionen hat keiner der zwei vorliegenden Gesetzentwürfe zur Regelung zur Suizidhilfe heute im Bundestag genug Stimmen auf sich vereinen können. Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) bedauert es, dass es nicht gelungen ist, ein Schutzkonzept für Suizidwillige zu implementieren und die herrschende Rechtsunsicherheit zu beenden. Zugleich sieht er mit dem verabschiedeten Antrag auf ein Gesetz zur Stärkung der Suizidprävention eine große Chance, suizidpräventive Konzepte zu stärken und auszubauen.

„Wir begrüßen es sehr, dass der fraktionsübergreifend eingebrachte Antrag für ein Gesetz zur Stärkung der Suizidprävention die erforderliche Mehrheit gefunden hat“, so Prof. Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV. Bereits anlässlich der 1. Lesung zur Regelung der Suizidhilfe vor einem Jahr hatte der DHPV gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) einen Vorschlag bezüglich entsprechender Regelungen veröffentlicht.

Der Hospizarbeit und Palliativversorgung kommt mit Blick auf die Suizidprävention eine wichtige Aufgabe zu. Menschen mit schweren, lebensverkürzenden Erkrankungen nehmen in der Regel von geäußerten Suizidwünschen Abstand, wenn sie sich gut begleitet und versorgt wissen. Dazu gehört auch, dass für alle Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, eine ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechende Versorgung zur Verfügung steht. „Hier müssen die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden, auch damit Mitarbeitende in Pflegeheimen eine ausreichende palliative und würdige Begleitung von Bewohnerinnen und Bewohnern gewährleistet können. Hinzu kommt, dass die Angebote für trauernde Menschen weiter ausgebaut werden und verlässlich finanziert werden, so Benno Bolze, Geschäftsführer des DHPV.

Zur Suizidprävention gehören außerdem öffentliche Aufklärung, auch an Schulen, Aus- und Fortbildung zum Thema, niederschwellige Zugänge zur Beratung. Es sollte etwa ein 24-Stunden-Hilfstelefon geben sowie vorbeugende Maßnahmen bei der Planung hoher Gebäude oder Brücken.

„Zugleich bedauern wir es, dass die Abgeordneten heute zu keiner Entscheidung hinsichtlich einer gesetzlichen Regelung der Suizidhilfe gekommen sind. In der existenziellen Frage der Durchführung der Suizidhilfe wäre eine größtmögliche Klarheit und Transparenz hinsichtlich des Prozederes und der Absicherung der Selbstbestimmung dringend notwendig gewesen“, so Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des DHPV. „Dazu hätte es ein Schutzkonzept gebraucht. Diese Chance ist nun erstmal vertan.“

Beide Vorschläge hätten im Grundsatz zumindest sichergestellt, dass Personen in einer krisenhaften Situation Zugang zu entsprechender Fachexpertise und Beratungsanboten haben, die auch Alternativen zur Suizidhilfe aufzeigen. Nicht zuletzt wäre damit der Gewinnorientierung bei der Suizidhilfe ein Riegel vorgeschoben worden.

Bemerkenswert war aus Sicht des DHPV die Tiefe und Ausgewogenheit der Debatte, etwa über die Implikationen der Suizidhilfe für die Gesellschaft, über die Gefahren von gesellschaftlichem und familiärem Druck, über Fragen der Normalisierung der Suizidhilfe vor dem Hintergrund von Einsamkeit, Armut und Krise.

„Vielleicht ist es dieser Ausgewogenheit anzulasten, dass keiner der Anträge zur Regelung der Suizidhilfe genügend Stimmen hinter sich vereinen konnte. Nun müssen wir gesamtgesellschaftlich dafür Sorge tragen, dass Suizid am Lebensende in keinem Fall zu etwas wird, an das sich die Gesellschaft gewöhnt. Suizid darf niemals zu etwas Normalem werden“, so Winfried Hardinghaus.